15.08.2006: Oberlandesgericht Schleswig: Anspruch auf Wertermittlung eines verkauften Grundstücks

Der Pflichtteilsberechtigte hat gegen den Erben einen Anspruch auf Auskunft über den Nachlass. Weil er seinen Pflichtteil aber nicht nur aus dem Nachlass selbst berechnen kann, sondern zusätzlich auch aus Gegenständen, die der spätere Erblasser schon zu Lebzeiten an andere Personen verschenkt hatte (sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch), erstreckt sich der Auskunftsanspruch auch auf solche verschenkten Gegenstände. Daneben hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Ermittlung des Wertes solcher verschenkter Grundstücke – also auf Einholung eines Wertgutachtens durch den Erben.
Schwierig wird es, wo der spätere Erblasser Gegenstände verkauft hatte und nicht klar ist, ob der Kaufpreis ein reeller Preis oder ein Freundschaftspreis war. Im letzteren Fall spricht der Jurist von einer “gemischten Schenkung”: das Geschäft war eben nur zum Teil ein Kaufvertrag – zum anderen Teil war es eine Schenkung.
Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten erstreckt sich also auch auf Kaufverträge, und zwar unabhängig davon, ob der Pflichtteilsberechtigte bereits Anhaltspunkte dafür hat, ob das Objekt zu einem Marktpreis oder zu einem Freundschaftspreis veräußert worden war. Der Pflichtteilsberechtigte soll selbst anhand des ihm mitgeteilten Kaufpreises ermitteln können, ob der Kaufvertrag in Wahrheit eine “gemischte Schenkung” war oder nicht.
Um dies zu ermitteln, muss der Pflichtteilsberechtigte den Kaufpreis mit dem Marktpreis vergleichen, und dazu benötigt er in der Regel ein Wertgutachten. Problematisch ist, ob er dieses Wertgutachten im Rahmen seines Wertermittlungsanspruchs von dem Erben verlangen kann, oder ob er das Gutachten selbst in Auftrag geben muss. Das OLG Schleswig hat nun entschieden, dass er ein Wertgutachten von dem Erben nur verlangen kann, wenn er bereits nachweisen kann, dass das Objekt verschenkt wurde. Benötigt er das Gutachten aber, um erst zu ermitteln, ob der Kaufpreis unter dem Marktpreis lag, muss er das Gutachten selbst einholen. Denn anders als der Auskunftsanspruch setze der Wertermittlungsanspruch voraus, dass eine Schenkung vorliege.

OLG Schleswig, Urteil vom 15.08.2006, Aktenzeichen 3 U 63/05