26.10.2011: Bundesgerichtshof: Lebzeitiges Eigeninteresse als teilweise Rechtfertigung einer Schenkung

Wer sich erbvertraglich gebunden hat, darf nicht vertragswidrig Gegenstände verschenken. Gleiches gilt für Partner eines gemeinschaftlichen Testaments, wenn ein Partner bereits verstorben ist. Enthält das gemeinschaftliche Testament (wie meistens) wechselbezügliche Verfügungen, so darf die Schenkung diesen nicht zuwiderlaufen – es sei denn, der Schenkende hat ein sog. lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung. Will also der Schenker nicht nur das Testament umgehen, sondern mit der Schenkung ein darüber hinausgehendes eigenes Interesse verfolgen, so bleibt die Schenkung auch über seinen Tod hinaus wirksam. Der BGH stellt klar, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse an Pflege und Besorgungen durch den Beschenkten auch dann bestehen kann, wenn der Schenkungsvertrag die Pflicht zu Pflegeleistungen ausdrücklich ausschließt. Denn einerseits kann die Schenkung schon erfolgte Leistungen vergelten, zum anderen kann schon die Hoffnung des Schenkers, nicht geschuldete Pflegeleistungen zu erhalten, eine Schenkung rechtfertigen.
Der BGH weist aber darauf hin, dass die Schenkung nicht außer Verhältnis zu den erhofften oder schon erhaltenen Vergünstigungen stehen darf, und dass es denkbar ist, dass ein solches lebzeitiges Eigeninteresse eine Schenkung nur zum Teil zu rechtfertigen vermag. In einem solchen Fall muss die Schenkung gedanklich aufgespalten werden in einen rechtmäßigen Teil und einen, der von den Gerichten zu revidieren ist.
Dies führt de facto dazu, dass künftig jede Schenkung in dieser Weise aufzuspalten ist. Denn nicht der Beschenkte muss beweisen, dass er das Geschenk behalten darf, sondern der Anspruchsteller, alson in der Regel der geprellte Miterbe, muss beweisen, dass der Schenker keinerlei lebzeitiges Eigeninteresse hatte. Das wird er nicht können, da sich das Nichtvorhandensein von Hoffnungen nicht beweisen lässt, zumal wenn der Hoffende verstorben ist. Der Geprellte muss daher, wenn er das Geschenk herausverlangen will, dem Beschenkten einen Geldbetrag in der Höhe anbieten, die dem zu vermutenden Eigeninteresse des nunmehr Verstorbenen entspricht.
Keine Rolle spielen in diesem Zusammenhang dagegen Vorempfänge: Hat der Geprellte seinerseits schon Geld vom Verstorbenen erhalten, so ist dies nicht bei der Herausgabe des Geschenks zu berücksichtigen, sondern erst bei der Erbteilung.

BGH, Beschluss vom 26.10.2011, Aktenzeichen IV ZR 72/11