Dass ein Mieter alt und am Ort tief verwurzelt ist, war bisher für sich genommen kein hinreichender Grund, einer Eigenbedarfskündigung zu widersprechen. Es musste immer noch eine Bewertung der Gesundheit des Mieters hinzu treten. Das hat der BGH nun geändert. Allein die Verwurzelung am Ort (die Mieter waren 80 und 90 Jahre alt und wohnten seit 24 Jahren in der Wohnung) könne Grund für die Mieter sein, der Kündigung zu widersprechen. Vorliegend spielte bei der “Verwurzelung” eine erhebliche Rolle, dass die Mieter in nächster Nähe einkaufen konnten und auch die meisten Ärzte der Mieter in fußläufiger Entfernung zur Mietwohnung praktizierten. Andererseits bleibt erstaunlich, dass es das Gericht bereits als “tiefe Verwurzelung” über “soziale Kontakte” gewertet hat, dass die Mieter miteinander in der Wohnung gelebt haben “und auch kein derart zurückgezogenes Leben geführt (haben), das ihnen den Aufbau sozialer Bindungen am Ort der Mietsache verwehrt hätte.” Also im Klartext: der Nachweis von Kontakten ist nicht nötig, solange der Lebenswandel die Bildung von Kontakten nicht geradezu ausschloss. Noch merkwürdiger erscheint, dass auch der Umstand, dass viele Nachbarn die Mieter im Auftrag der Vermieterin “observiert” hätten, als Zeichen für ihre sozialen Kontakte im Haus gewertet wurde. Erklären lässt sich dies alles wohl nur in diesem Einzelfall aus dem ebenfalls mitgeteilten Umstand, dass die Mieter 1991 als Opfer der NS-Herrschaft nach D übergesiedelt seien, also mutmaßlich als Juden aus der Sowjetunion. Das Gericht hat in diesem Fall nur äußerlich an dem schon früher geprägten Merkmal der “tiefen Verwurzelung” angedockt, in Wahrheit aber den von Verfolgung und Heimatverlust gezeichneten Menschen ein Minimum an Verwurzelung ermöglichen und einen weiteren Wohnortwechsel ersparen wollen. Zu verallgemeinern ist diese Entscheidung wohl nicht.
BGH, Urteil vom 03.02.2021, Aktenzeichen VIII ZR 68/19
LG Berlin, Urteil vom 25.05.2021, Aktenzeichen 67 S 345/18