23.08.2021: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Überleitung eines Rückforderungsanspruchs aus einer anlässlich einer Erbauseinandersetzung vorgenommenen Schenkung

Wie mittlerweile weithin bekannt, kann der Sozialhilfeträger, wenn er jemandem Leistungen erbringt, Schenkungen zurückfordern, die der Leistungsempfänger früher einmal einem Dritten – meist einem jüngeren Familienmitglied – gemacht hat. Typischer Fall ist der eines alten Menschen, der einem Kind oder einem Enkel eine Immobilie überträgt und dann anschließend ins Heim muss, dessen Kosten seine finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Der Sozialhilfeträger, der dann die Heimkosten (soweit nicht von der Rente gedeckt) übernehmen muss, wendet sich nach einiger Zeit an die Person, die die Immobilie geschenkt bekam.  Der Sozialhilfeträger muss in einem solchen Fall in zwei Schritten vorgehen: zunächst muss er die Ansprüche des Leistungsempfängers gegen den Beschenkten auf sich überleiten. Denn der Sozialhilfeträger hat ja keine eigenen Ansprüche gegen den Beschenkten. Nur der Schenker, der jetzt Leistungen bezieht, hat Ansprüche gegen den Beschenkten – entweder auf Rückforderung des Geschenks wegen Verarmung (§ 528 BGB) oder auf Unterhalt. Erst wenn die Ansprüche übergeleitet sind, kann der Sozialhilfeträger sie – in einem zweiten Schritt – gegen den Beschenkten (oder den Unterhaltspflichtigen) geltend machen. Die Rechtmäßigkeit der Überleitung ist vom Sozialgericht zu entscheiden; ob ein Rückforderungsanspruch wegen des Geschenks besteht, ist vor dem Zivilgericht zu klären.
Hier hatte das Landessozialgericht naturgemäß nur über die Überleitung zu entscheiden. Das Ergebnis ist nicht überraschend. Überleiten kann der Sozialhilfeträger auch Rückforderungsansprüche aus Schenkungen oder gemischten Schenkungen, die im Rahmen einer Erbauseinandersetzung vorgenommen wurden. Abfindungen oder Gegenleistungen, die der Beschenkte dort versprochen hat, mindern nur den Wert seines Geschenks, ändern aber nichts am Überleitungsrecht. Ausgeschlossen wäre die Überleitung nur, wenn evident wäre, dass der übergeleitete Anspruch nicht existiert, sog. Negativevidenz. Sogar verjährte Rückforderungsansprüche könnten übergeleitet werden.
Wohin es dann führt, wenn der Sozialhilfeträger in einem zweiten Schritt das “Geschenk” zurückfordert, welches mit Abfindungen und Gegenleistungen garniert war, hatte das Landessozialgericht nicht zu entscheiden. Spannend scheint dabei vor allem die Frage, ob eine Immobilie, die aus einer Erbengemeinschaft kam, die durch Vertrag mit dem Beschenkten auseinandergesetzt – also beendet – worden war – wieder in die Hand der – nun wieder zum Leben erweckten? – Erbengemeinschaft zurückkehrt.

LSG NrW, Urteil vom 23.08.2021, Aktenzeichen L 20 SO 20/20

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