Wie vom Bundesgerichtshof 2005 entschieden, beseitigt die “Schonfristzahlung” nur die fristlose Kündigung (§ 569 III Nr. 2 BGB), nicht aber auch die meist parallel “hilfsweise” ausgesprochene ordentliche Kündigung des Mietvertrags (Urteil v. 16.02.05, VIII ZR 6/04). Die Schonfristzahlung kann aber das Verhalten des Mieters in einem “milderen Licht” erscheinen lassen, sein Verschulden mildern – so dass am Ende sein Bestandsinteresse doch das Interesse des Vermieters an der Kündigung überwiegt. Einen solchen Fall hatte hier das LG Gießen vor sich. Der Ehemann zahlte der Mieterin keinen Unterhalt mehr; der Mann wurde dann auch arbeitslos; er habe zwar Arbeitslosengeld beantragt, aber nicht sofort bewilligt erhalten. Vorher war die Mieterin meist beanstandungsfrei geblieben. In Zukunft würde das Amt die Miete zahlen. Außerdem hatten die Parteien sehr wahrscheinlich verabredet – was die Mieterin aber nicht beweisen konnte – dass der Vermieter die Kündigung zurücknimmt, wenn er sein Geld bekommt. Und der eigentliche Grund für die Kündigung waren – bestrittene – Beleidigungen, die der Vermieter aber seiner Kündigung nicht zugrunde gelegt hatte. Für den Anwalt des Vermieters kann sich daher die Mehrarbeit, neben dem Zahlungsverzug auch eine Beleidigung zu thematisieren, durchaus lohnen.
LG Gießen, Urteil vom 22.11.2022, Aktenzeichen 1 S 81/22